PROBELAUF AN DER
MONTESSORI-SCHULE HOFHEIM
Ein Bericht zum Bildungsangebot:
Film "DER BALKON" -
Wehrmachtsverbrechen in Griechenland
Die Vernichtung des Dorfes Lyngiades am 3. Oktober 1943,
Film von Chrysanthos Konstantinidis (2018) /
gekürzte Fassung (2020)
Anmerkung: Den folgenden Bericht können Sie als pdf-Datei (5 Seiten) auf der Webseite des Montessori-Zentrums Hofheim herunterladen:
Projekt Bildungsarbeit "DER BALKON"
Weiterhin finden Sie dort Links zu den Arbeiten/Ergebnissen des Projektes, einem von den Schüler*innen erstellten Video zu ihren Arbeitsergebnissen und zu Begleitmaterialien.
Bild: Feuerspeiende Frau mit schwarzer griechischer Flagge
© Künstlerin: Luna Drechsler
Ein Bericht über das Projekt und die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler
von Annette Courtis und Dr. Carolin Huber, 12.2022
Bis heute werden die Ereignisse des 2. Weltkrieges in Griechenland nicht in hessischen Schulen behandelt. Mit dem Filmmaterial „DER BALKON“, soll nun der Einsatz an hessischen Schulen erprobt werden. Das Montessori-Zentrum Hofheim, welches seinen Schülern und Schülerinnen (SuS) seit seiner Gründung eine besondere Bildung anbietet, konnte den Probelauf des Filmes und Begleitmaterials an der Schule trotz der Herausforderungen bzgl. Zeitplan, dicht gedrängter Oberstufen-Lehrpläne, entstandener Lernstofflücken aus der Coronazeit und der anspruchsvollen Planung des Lehrkräfteeinsatzes gut im Schulbetrieb und im Geiste Dr. Maria Montessoris einbetten.
Friedenserziehung als zentrales Ziel der Bildung
Dr. Maria Montessori war selbst Zeitzeugin dreier Kriege in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Es war ihr damals ein besonderes Anliegen, mit ihrer Pädagogik den vom Krieg traumatisierten Kindern und Jugendlichen zur „psychischen Gesundung“ zu verhelfen (siehe Buch „Erziehung und Frieden“ von Dr. Maria Montessori). Sie betonte: „Wenn wir vom Frieden sprechen, verstehen wir darunter nicht einen partiellen Waffenstillstand zwischen getrennten Nationen, sondern einen Dauerzustand, der die gesamte Menschheit umfasst!“. Als oberstes Ziel der Erziehung sah sie - in einem gewaltfreien, jahrelangen Prozess - die Bereitschaft, die Fähigkeit und den Willen zum Frieden in Kindern und Jugendlichen aufzubauen. Um Krieg und Gewalt vorzubeugen, stünden laut Dr. M. Montessori wir Erwachsene und insbesondere wir PädagogInnen in der Pflicht, Frieden und Erziehung in Einklang zu bringen. In der Bildungslandschaft könnten die Grundlagen für eine weltweite Verständigung und für ein gemeinsames, respektvolles Miteinander geschaffen werden.
Probelauf - Rahmenbedingungen
Ziel des Probelaufes ist die Erprobung und Dokumentation des Einsatzes des Filmes „DER BALKON“ und des Begleitmaterials für die schulische Bildungsarbeit in Hessen. Dabei konnten die Arbeitsergebnisse von den SuS teilweise in Form eines Klausurersatzes eingereicht werden. Ein Film zur Dokumentation des Probelaufs sollte gedreht werden.
TeilnehmerInnen
Im Rahmen des Geschichtsunterrichts setzten sich 20 SuS der 13. Jahrgangsstufe intensiv mit der Geschichte des 2. Weltkrieges in Griechenland auseinander. Für die SuS stand das Projekt am Beginn der Beschäftigung mit der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Sie hatten sehr unterschiedliches Vorwissen – von SuS mit sehr wenigen Vorkenntnissen bis hin zu SuS, die sich aus eigenem Interesse heraus oder während der Sek. I schon vertieft mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt hatten.
Betreut und begleitet wurden sie von zwei Lehrkräften: einer Geschichtslehrerin sowie einer Fremdsprachenlehrerin (letztere mit griechischem Hintergrund). Der Schwerpunkt der fachlichen Arbeit der Geschichtslehrerin liegt auf der Zeit des Nationalsozialismus; letztere legt den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die deutsch-griechische Erinnerungs- & Friedensarbeit sowie Verständigung beider Länder.
Material
Die SuS nutzten zu Beginn zwei kurze Einführungsfilme zum 2. Weltkrieg in Europa und Griechenland und anschließend den Film „DER BALKON“ sowie das dazugehörige Begleitmaterial (siehe Begleitmaterial zum Film „Der Balkon“ – RESPEKT FÜR GRIECHENLAND (xn--respekt-fr-griechenland-kpc.de)); außerdem Zusatzmaterial von Frau Bettina Münch-Rosenthal, Referentin für internationale Zusammenarbeit, Beauftragte für EU-Programme im Schulbereich (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz).
Die Lehrkräfte sowie SuS nutzten die schulinterne digitale Lernplattform „itslearning“ zur Strukturierung und Bereitstellung der Materialien sowie für die Online-Veröffentlichung und Bewertung der Arbeitsergebnisse.
Blick in die Vergangenheit
Aufgrund der anfangs genannten Gründe entschieden die Lehrkräfte, das gesamte Thema der NS-Zeit mit den Geschehnissen in Griechenland zu beginnen und „blätterten“ im Laufe des Halbjahres Schritt für Schritt zurück in die Geschichte bis zu den Anfängen und Ursachen der NS-Zeit.
Probelauf – Ablauf: Zeitrahmen
Insgesamt erarbeiteten sich die SuS (für den 1. Teil) in acht und anschließend (für den 2. Teil) in sechs Schulstunden
- die Geschichte Griechenlands im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg in Form von Sachgebieten (siehe ANHANG 1 – Aufgabenstellungen – siehe Projektteil 1
- die Inhalte des Filmes aktiv in Gruppen-, Partner- und Einzelarbeit heraus. Anschließend bearbeiteten sie in individueller Arbeit ihren Auftrag zum ausgewählten Thema. Drei Themenzugänge wurden angeboten: kognitiver, emotionaler und kreativer Zugang (siehe ANHANG 2 – Aufgabenstellungen – Link zu Projektteil 2)
Probelauf – Ablauf: Materialaufbereitung
Das Projekt fing mit dem Zusammentragen und der Sicht sowie Auswertung des Filmmaterials sowie mit der Aufbereitung der Projektressourcen auf der Schul-Lernplattform „itslearning“ durch die Lehrkräfte an (Literatur, Dokumente, Kartenmaterial, Videos, Links, pdfs etc. von der Webseite https://respekt-für-griechenland.de und Material von Frau Münch-Rosenthal, Internet). Die elektronische Schul-Plattform sollte den SuS online einen schnellen Überblick über die Geschichte und die Themen geben sowie die selbständige Erarbeitung der Themen und die Einreichung, Prüfung der Arbeiten sowie Kommunikation erleichtern.
Probelauf - Ablauf: 2. Weltkrieg im Überblick (Tischgruppenarbeit, Gallery Walk)
Die persönliche Verbindung einer der Lehrkräfte zu Griechenland und deren Schilderungen machte die Einführung für die SuS besonders eindrucksvoll. Dieses Wissen wurde durch zwei kurze Videos zum Thema des 2. Weltkrieges erweitert. Die SuS konnten ihre ersten Gedanken auf Plakate niederschreiben und in kleinen Tischgruppen austauschen sowie ihre Eindrücke miteinander teilen. Darüber hinaus konnten sie sich Fragen überlegen, um die Geschichte besser zu verarbeiten und zu begreifen.
Anschließend wurden die SuS in vier Gruppen eingeteilt, um im weiteren Unterricht und in der Freiarbeit die Sachgebiete zum 2. Weltkrieg tiefgründiger zu bearbeiten (siehe Anhang 1: Arbeitsauftrag, Sachgebiete - siehe Projektteil 1.
Schwerpunkte waren: Okkupation Griechenlands, NS-Besatzungspolitik, Widerstand, bereits geleistete Gedenkarbeit, Nachkriegsjustiz in Deutschland und Griechenland.
Die Ergebnisse präsentierten sich die SuS in der nächsten Geschichtsstunde im Gallery Walk gegenseitig. Dabei machten sich die ZuhörerInnen Notizen, die sie für ein anstehendes Sachgebiet-Quiz nutzen konnten und erhielten einen Gesamtüberblick über die Zeit der deutschen Nationalsozialisten und der Wehrmacht.
Probelauf – Ablauf: Film „DER BALKON“ & Eindrücke SuS
Nachdem die SuS einen Gesamtüberblick über die Gräueltaten der deutschen Nationalsozialisten und der Wehrmacht erhalten hatten, folgte über sechs Schulstunden eine intensive Projektarbeit mit dem Filmmaterial „DER BALKON“. Der Film wurde gemeinsam angeschaut. Anschließend folgte eine gemeinsame intensive Reflektions- und Gesprächsrunde.
Der Film berührte die SuS, insbesondere weil sie sich mit den tatsächlichen ZeitzeugInnen oder deren Nachfahren konfrontiert sahen und dabei realisierten, welche langwierigen Folgen die Taten der deutschen Besatzungsmacht in Griechenland gehabt haben. Durch die filmische Darstellung wurde ihnen eindrücklich bewusst, mit welchen brutalen Mitteln die Nationalsozialisten vorgegangen waren. Diese „realitätsnahe“ Erfahrung über ZeitzeugInnen kann, nach Meinung vieler SuS, normalerweise kein Buch und keine Lehrkraft so vermitteln.
Die SuS kamen zu dem Schluss, dass die Opfer der Taten der Nationalsozialisten in Griechenland zutiefst traumatisiert wurden. Dabei gab der Film den SuS die Möglichkeit, mit den Opfern mitzufühlen und sich in diese hineinzuversetzen. Die SuS waren sich einig, dass das Ausmaß der Schäden durch die Besatzung der Deutschen in der Zeit des 2. Weltkrieges in das Kerncurriculum einfließen muss.
Eine Schülerin berichtete: „Viele unserer Augen waren gespannt auf das Bild gerichtet. Schaute man sich um, so sah man bei vielen Ungläubigkeit in der Mimik. Etwas anderes als langsam den Kopf schütteln, blieb vielen währenddem nicht übrig, als wir sahen wie das Volk damals behandelt wurde. Viele waren erschüttert von den Taten, selbst wenn sie geglaubt hatten, sie wären sich des Ausmaßes der Brutalität der Nationalsozialisten bewusst. Die Art und Weise, wie die Nationalsozialisten vorgegangen sind, war brutal und menschenverachtend. Wo es einem vielleicht davor nur teilweise bewusst war, sah man nun anhand des Filmes die tatsächliche Wahrheit. Uns wurde auch klar, dass die Opfer nicht nur mit den Verlusten und dem Trauma leben mussten, aber auch mit dem Fakt, dass sie überlebt haben und andere eben nicht.“.
Überrascht hat die SuS die Tatsache, dass die deutsche Besatzung von Griechenland im 2. Weltkrieg nicht ansatzweise in der Schule unterrichtet wird. Die eindeutige Mehrheit der SuS fand den Film ein geeignetes Mittel, um über die damalige Situation in Griechenland mehr zu erfahren und sich mit der gemeinsamen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Das Einbetten dieses zusätzlichen Themas in den sehr dichten Lehrplan der Oberstufe empfinden sie zeitlich gesehen als eine große Herausforderung.
Einige SuS wünschten sich eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Thema im Schulbetrieb, bei der auch Erkenntnisse aus und die Beleuchtung der Sicht deutscher Soldaten in Griechenland (ggfs. mit deutschen ZeitzeugInnen) Berücksichtigung gefunden hätten.
In Anbetracht dessen, dass an einer Stelle im Film ein Opfer sagt, dass es nie „den Deutschen“ verzeihen könne, egal was passieren würde, erscheint eine Schülerin machtlos und verzweifelt. Sie ist ratlos, wie sie den Opfern gegenüber auftreten soll. Sie fragte sich, ob es vielleicht doch besser wäre, zu schweigen und nicht darüber zu reden. Schließlich wäre es ein sinnloses Unterfangen, bei Menschen um Entschuldigung zu bitten, die von vornherein sagen, sie könnten nicht verzeihen. Und dabei hätte sie/hätten sie (die SuS) ja garnichts davon gewusst und waren auch als heutige Generation garnicht daran beteiligt. Sie wüsste nicht, wie sie sich verhalten sollte, ist aber froh, nun auch diesen Teil der Geschichte zu kennen und von daher wäre es gut, dass es in der Schule gelehrt wird.
Eine Schülerin berichtete: „Ich war geschockt, dass es möglich war, ein solches grausames Kriegsverbrechen jahrelang totzuschweigen, sodass niemand über die damaligen Ereignisse Bescheid wusste und auch immer noch nicht Bescheid weiß. Dies hat mich sehr berührt, denn der Film zeigte mir, dass es sehr wichtig ist, über die damalige Zeit zu sprechen und die deutsch-griechische Geschichte aufzuarbeiten. Besonders in dem Hinblick, dass den griechischen Opfern des Verbrechens, so wie beispielsweise Ihrem Bruder, gedacht wird und sie nicht in Vergessenheit geraten. Außerdem ist das Thema notwendig für den Geschichtsunterricht, da nur Aufklärung dafür sorgen kann, dass solche Ereignisse nicht nochmal passieren und Menschen schon im frühen Alter für das Thema sensibilisiert werden. Weiß nämlich niemand über die Geschehnisse in der Geschichte Bescheid, dann könnten solche Taten immer und immer wieder passieren und das im Stillen, sodass es keiner mitbekommt. Das wäre meiner Meinung nach fatal, weshalb es dringend notwendig ist, Themen dieser Art zum aktuellen Lehrplan hinzuzufügen und wenn auch nur für eine kurze Zeit, in der Schule zu unterrichten.“.
Gedenkarbeit
Zum Thema „Gedenkarbeit“ bildeten die SuS Tischgruppen und hielten auf Plakaten die Bedeutung, Sinnhaftigkeit und mögliche Formen einer solchen Arbeit fest.
Alle SuS waren der Auffassung, dass Erinnerungs- und Gedenkarbeit eine wichtige Rolle spielen. Sie sei ein wichtiger Teil der Auf- und Verarbeitung von Vergangenem, der Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der Prävention von radikal idiologischem Verhalten, des persönlichen kritischen Denkens und ein Zeichen von Respekt gegenüber den Opfern. Die SuS gehen davon aus, dass Gedenkarbeit in verschiedenen Wegen geleistet werden kann, so z. B. durch die Einführung von nationalen Trauertagen oder Errichtung von Gedenk- und Mahnstätten, durch die lückenlose Aufklärung der Geschehnisse oder auch indem vermehrt Ressourcen zur Bildung der Öffentlichkeit und auch Austauschprogramme, insbesondere der jungen Menschen, bereitgestellt werden, um auch so mögliche Erinnerungslücken zu schließen uvm. (siehe Gedenkarbeit - Gruppenarbeit - Bilder im Anhang 3, bei Interesse: bitte kontaktieren Sie mich).
Empfehlungen: Film „DER BALKON“ und Schulcurriculum von Hessen
Die SuS sind sich einig, dass diese Form der Wissensvermittlung - durch Zeitzeugen und deren Nachfahren in Form von Film mit Begleitmaterial und abwechselnder individueller, Partner- sowie Gruppenarbeit - und eben nicht das Referieren eines Lehrers oder die Seite eines Geschichtsbuchs es ermöglicht, die Geschehnisse besser aufzunehmen und zu verarbeiten sowie mitzufühlen und nachhaltig zu lernen.
Das Filmprojekt „DER BALKON“ ermöglichte den SuS die Aufarbeitung der gemeinsamen, aber auch persönlichen Geschichte, die mit dem 2. Weltkrieg verbunden ist. Der kognitive, doch v. a. persönlich emotionale und kreative Zugang zur gemeinsamen Geschichte beider Länder eröffnete den SuS Wege zu Opfern und Tätern, zu FilmemacherInnen, HistorikerInnen, PolitikerInnen und sogar zur eigenen Familiengeschichte. Insbesondere die Aufnahmen und Aussagen von ZeitzeugInnen oder von deren Nachfahren konnten die Geschichte greifbarer, lebbarer und emphatisch nachvollziehbarer machen.
Überwiegend Einigkeit herrschte bei den SuS darin, dass in Anbetracht des zeitlichen Rahmens zur Bewältigung des gesamten Geschichtsstoffs in der Oberstufe zuerst ein Überblick und ein Basiswissen (zeitlich lineare Bearbeitung wünschenswert) über den 1. und 2. Weltkrieg hilfreich sei, um dann die Opferländer im Einzelnen zu betrachten.
Die SuS waren sich einig, dass das Thema Griechenland im 2. Weltkrieg in das Kerncurriculum einfließen muss. Griechenland sollte genauso wie auch andere Länder, die unter dem Nationalsozialismus und Hitler litten, Eingang in den Unterricht finden.
Auch die Tatsache, dass der Regisseur, der Buchautor und Nachfahren leben und berichten können, brächte das Geschehene sehr nah und ließe Raum für einen möglichen Austausch bzw. für eine weitere Beschäftigung mit dem Thema.
Es herrschen allerdings unterschiedliche Vorstellungen, wie das Thema Griechenland in das Schulcurriculum einfließen könnte, u. a.
- könnte es als freiwilliges Angebot präsentiert werden, eventuell in Form von Projekttagen, Exkursionen oder Workshops
- Viele in der Gruppe sind der Meinung, dass das Schulcurriculum aktuell zu umfangreich sei, um einem so großen Themenkomplex wie Griechenland einen so großen Raum im regulären Unterricht noch zusätzlich zu geben (siehe benötigte Schulstunden für dieses Projekt an der Montessori-Schule, Projektteile 1 und 2)
- Da der Film „DER BALKON“ sehr starken Fokus auf Lyngiades legt und andere Städte und Orte Griechenlands nicht in den Fokus nimmt, wird ergänzendes Material und damit zusätzliche Schulstunden zur Bearbeitung des Lernstoffes benötigt. Ein Vorschlag war, das Thema Griechenland im 2. Weltkrieg in Projektarbeit zu behandeln.
- Wünschenswert wäre für manche SuS, das Thema Griechenland gegen Ende des Schuljahres z. B. im Rahmen von Projekttagen oder einer Projektwoche zu bearbeiten, um mehr Zeit zu haben und sich intensiver damit zu beschäftigen.
- Ein Vorschlag war auch, die Geschichte Griechenlands im Rahmen des Unterrichts über deutsche Kriegsverbrechen zu vermitteln, allerdings nicht als alleiniges Thema, sondern im Rahmen auch anderer Opferländer.
- Manche wünschten sich bei der Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte außerdem ein Material, das auch den Blick auf die Sichtweise z. B. von deutschen Soldaten der damaligen Zeit wirft (z. B. ehemalige deutsche Soldaten oder deren Kinder als Zeitzeugen).
- Weiterhin wurde vorgeschlagen, dieses Thema in der E-Phase zu unterrichten (11. Jahrgang), jedoch ohne dafür das Kerncurriculum der Q-Phasen weiter auszubauen.
- Für einen anderen Schüler lag der Fokus des Filmes eindeutig auf den Opfern und die Begleitumstände ihres (damaligen) Schicksals. Es stellt sich ihm die Frage, was noch lebende einfache deutsche Soldaten oder deutsche Widerständler in Griechenland wirklich dachten/fühlten und wie sie schließlich mit dem Geschehenen umgingen bzw. heute umgehen. Was haben sie der nächsten Generation zu sagen und was wollen sie ihr mitgeben, was haben sie ihr wirklich mitgegeben?
Der Schüler stellte sich die Frage, ob es noch auf deutscher Seite Überlebende gibt, die man befragen könnte oder ob es Nachkommen gibt, die über ihre Eltern/Großeltern berichten könnten und sogar familiäre Erinnerungsstücke (z. B. Briefe, Erinnerungsgegenstände) aus Griechenland haben und die bereit wären, einen Teil 2 des Filmes „DER BALKON“ zu drehen. - Der zaghafte Versuch zu verstehen, was und warum genau all dies so geschah, wie alles so passieren konnte und was man dagegen machen könnte, wenn man denn heute in eine ähnliche Situation geraten würde (auch mit Blick auf die heutigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine), konnte in Ansätzen nur über das gemeinsame Gespräch und durch die Beschäftigung mit den einzelnen Themen/Sachgebieten, die über das Filmmaterial abgedeckt sind, in der Gruppe erreicht werden. Es reicht nach Meinung der SuS allerdings vermutlich schon aus, wenn man sich den Film im Geschichtsunterricht anschaut und sich danach über die Geschehnisse austauscht. Somit wüssten Kinder und Jugendliche zumindest, was zur damaligen Zeit geschah und könnten vermutlich auch einige geschichtliche Aspekte besser nachvollziehen und einordnen.
Bei den verschiedenen Argumentationen wurde klar, dass das Thema Griechenland sehr wichtig ist und das Filmmaterial „DER BALKON“ ein sehr guter Einstieg dazu ist. Es sollte allerdings im Gesamtkontext aller Kriegsverbrechen und gleichwertig zu allen anderen Ländern, in denen Kriegsverbrechen vom damaligen Deutschland verübt wurden, behandelt werden.
Eindrücke: LehrerInnen & Ergebnis
Es zeigte sich, dass der Zugang über den Film und die Zeitzeugenberichte für die meisten SuS wertvoll waren, diese sie emotional sehr bewegten und das Interesse weckten, sich mit den Ereignissen, den Erlebnissen der ZeitzeugInnen und der gemeinsamen Geschichte weiter auseinanderzusetzen. Der Film spiegelt die gemeinsame deutsch-griechische Geschichte in einer sehr plastischen Art wider. Zeitzeugen sprechen zu hören und auch zu sehen, wie noch Nachfahren das Trauma stillschweigend vererbt bekamen, löst zu allererst eine Schockstarre beim Zuschauer aus, die dann in Verwirrtheit, Fatalismus und Sprachlosigkeit münden kann.
Dies spiegelte sich in den schriftlich angefertigten Arbeiten der SuS wider, die sich überwiegend einen emotionalen und einen kreativen, aber weniger einen kognitiven Zugang zu ihrem ausgewählten Thema (siehe Projektteil 2) aussuchten.
Die SuS setzten sich dabei auf sehr differenzierte Weise mit den Erlebnissen und Gefühlen der ZeitzeugInnen, aber auch mit Aspekten, wie der politischen und justiziellen Aufarbeitung der Geschehnisse nach dem Krieg, der Frage nach einer möglichen „Wiedergutmachung“ sowie der Täterperspektive auseinander. So entstanden Arbeiten wie z. B. „Nachkriegsjustiz“, „Brief eines Opfers“, eine Installation bestehend aus einem Kinderbett mit einem Handtuch, welches angebrannt und blutverschmiert darin liegt; an dem Bett hängt ein Schild mit der Schrift „Deutsche Gerechtigkeit“. „Interview mit einem Gebirgsveteranen“, „Die Geschichte von Giagiá“, „Tagebuch eines deutschen Soldaten“, „Tagebuch der Braut“, „Brief an Herrn Prof. Schminck-Gustavus“, „Tagebuch eines deutschen Kindes“, „Tagebuch des Mitglieds der Strafkolonie 999“, „Brief an den Regisseur“, „Brief an Herrn Gauck“ (letzterer wird auch versandt) sind weitere Arbeiten – ein Auszug der Arbeiten sind im Anhang 4 des Bildungsmaterials (bei Interesse: bitte kontaktieren Sie mich) zu finden.
Der Wunsch das Lernvolumen insgesamt in der Oberstufe nicht zu erhöhen, aber trotzdem die Geschichte von Griechenland im Kontext der deutschen Kriegsverbrechen in Europa zu vermitteln, gab zu denken. Insbesondere weil auch andere Länder ein ähnliches Schicksal wie Griechenland erlitten hatten und den Menschen, die auch dort ums Leben gekommen waren, gleiche Ehre und Gedenken gebührt. So erachteten die SuS es z. B. als hilfreich, ähnliches Film-/Begleitmaterial von anderen Ländern zur haben, welches dann auch im Schulcurriculum integriert werden und z. B. als Stationsarbeit oder Projektarbeit in einer Projektwoche am Ende des Schuljahres oder Schulhalbjahres angeboten werden könnte.
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Bei Rückfragen bzw. Interesse an einem Pilotprojekt auch an Ihrer Schule sowie bei Interesse an den detaillierten Feedbacks der SuS und LehrerInnen zum Probelauf des Projektes können Sie auf der Webseite der Montessori-Schule Hofheim einsehen. Sie können gerne auch Kontakt per E-Mail aufnehmen: courtis(at)montessori-hofheim.de.
Kinderwiege "Deutsche Gerechtigkeit" - © Künstler: Nicolas Rudel